Pflegebedürftigkeit: Miteinander planen und organisieren

Eine gute Pflege setzt eine durchdachte Planung voraus, bei der alle Familienmitglieder an einem Strang ziehen. Dabei sollten die individuelle Situation des Pflegebedürftigen sowie die Handlungsmöglichkeiten der Angehörigen miteinander in Einklang gebracht werden.

Gruppe legt Hände übereinander und demonstriert Zusammenhalt
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1. Pflegefall: Was wünschen sich Betroffene?

1.1. Häusliche Pflege: Versorgung in den eigenen vier Wänden

1.2. Umzug in eine Pflegeeinrichtung

2. Aufgabenverteilung: Was muss mit der Familie geklärt werden?

2.1. Finanzen

2.2. Antragstellung bei der Pflegekasse

2.3. Organisation der Pflege

3. Wie lässt sich die frühzeitige Vorsorge für den Pflegefall realisieren?

3.1. Finanzen

3.2. Patientenverfügung

3.3. Testament


Im akuten Pflegefall müssen innerhalb kurzer Zeit viele Entscheidungen getroffen werden. Braucht ein Mensch mehr Unterstützung im Alltag, übernimmt meist ein nahestehender Angehöriger die Pflege – oft der Partner oder das Kind, das am nächsten bei den Eltern wohnt. Häufig wird still von einer solchen Regelung ausgegangen. Häusliche Pflege ist jedoch eine große Belastung, die mit privaten und beruflichen Einschränkungen einhergeht. Pflegende Angehörige sollten auch andere Familienmitglieder in die Pflege einbinden und Aufgaben sinnvoll verteilen, um sich selbst nicht zu überlasten. Deshalb ist eine gute Planung von hoher Bedeutung. Nicht zuletzt stehen auch die Wünsche und Vorstellungen des Pflegebedürftigen im Vordergrund.

1. Pflegefall: Was wünschen sich Betroffene?

Die meisten Menschen wünschen sich sowohl für sich selbst, als auch für nahestehende Angehörige, so lange wie möglich im eigenen Zuhause leben zu können. Wenn mit zunehmendem Alter körperliche und geistige Beeinträchtigungen auftreten, hoffen deshalb viele Pflegebedürftige auf die Unterstützung ihrer Angehörigen. Die Hilfe des Ehepartners und der eigenen Kinder steht dabei meist im Vordergrund. Doch für Angehörige ist diese Unterstützung häufig mit einigen Herausforderungen verbunden, weil Pflege, Familie und Beruf nicht immer leicht vereinbar sind. Daher ist es wichtig, beide Perspektiven – die des Pflegebedürftigen und die der Angehörigen – bei der Wahl der passenden Pflegeform zu berücksichtigen.

1.1. Häusliche Pflege: Versorgung in den eigenen vier Wänden

Für die häusliche Pflege sprechen nicht nur aus Sicht des Pflegebedürftigen viele Gründe:  Pflegebedürftige müssen nicht in fremde Hände gegeben, können aber bei Bedarf durch ambulante Pflegekräfte unterstützt werden – eine Entlastung auch für die Angehörigen. Zudem ist der Pflegebedürftige mit den Räumlichkeiten seines Zuhauses vertraut und muss sich nicht an eine fremde Umgebung gewöhnen. Für viele Betroffene und Angehörige ist häusliche Pflege nicht nur ein Wunsch, sondern auch Notwendigkeit, da Einkommen bzw. Rente und Pflegeversicherung womöglich nicht die Kosten einer Pflegeeinrichtung abdecken.

1.2. Umzug in eine Pflegeeinrichtung

Problematisch ist die psychische und körperliche Überforderung, mit der sich viele pflegende Angehörige konfrontiert sehen. Oft einhergehend mit einem Verlust an Lebensqualität und Einschränkung der persönlichen Freiheit, ist für viele Angehörige die Pflege zuhause schon aus beruflichen Gründen nicht oder nur schwer möglich. Eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung kann dann sinnvoll sein, wenn die pflegebedürftige Person ihren Angehörigen nicht zur Last fallen möchte. Geschulte Fachkräfte und eine bessere Infrastruktur der Pflege im Pflegeheim bieten Pflegebedürftigen mehr Abwechslung und soziale Kontakte im Pflegealltag sowie ein umfangreiches Betreuungskonzept.

Letztlich müssen persönliche Umstände und Perspektiven von Betroffen und Angehörigen sorgfältig miteinander abgewogen werden. In jedem Fall sollten die Wünsche des Pflegebedürftigen bei der Entscheidung bedacht werden, denn schließlich stehen er und seine individuelle Situation im Mittelpunkt.

TIPP DER REDAKTION:

Angehörige sollten frühzeitig mit dem Pflegebedürftigen sprechen. Fragen Sie Ihren Angehörigen, wie er sich seine Versorgung vorstellt und bestellen Sie einen Familienrat ein. Überlegen Sie gemeinsam, wer miteinbezogen werden muss, und setzen Sie sich mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten in Verbindung, um eine erste Einschätzung zu erhalten. Wird sich der Zustand Ihres Angehörigen verbessern oder eher verschlechtern? Mit welchen körperlichen und geistigen Einschränkungen ist kurz-, mittel- bis langfristig zu rechnen? Sprechen Sie auch über eine mögliche Rollenverteilung: Wenn ihr Angehöriger nicht möchte, dass Sie zum Beispiel bei der Körperhygiene helfen, kann die Hilfe eines ambulanten Dienstes hilfreich sein. Außerdem sollte geklärt werden, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen und ob bereits Vorsorgedokumente vorliegen.

2. Aufgabenverteilung: Was muss mit der Familie geklärt werden?

Ob häusliche oder stationäre Pflege – eine Reihe von organisatorischen Aufgaben sollten Betroffene unabhängig von der Pflegeform gemeinsam mit ihren Angehörigen in Angriff nehmen. Eine gute Planung und überlegte Aufgabenverteilung sind hierbei von Bedeutung. Spätestens beim Auftreten erster Einschränkungen – besser aber schon früher – sollten sich Betroffene Gedanken darüber machen, wer sich in Zukunft um finanzielle Angelegenheiten kümmert, wer bei der Antragstellung an die Pflegekasse unterstützt und wer beim Aufsetzen von notwendigen Vorsorgedokumenten behilflich ist. Familien sollten hierbei idealerweise eng zusammenarbeiten und Aufgaben so verteilen, dass sich jede Person ihrer Zuständigkeit gewachsen fühlt und diese mit dem eigenen privaten und beruflichen Alltag in Einklang bringen kann. Wenn Angehörige weiter entfernt leben oder aus anderen Gründen keine oder wenig Unterstützung leisten können, helfen auch Mitarbeiter von Beratungsstellen bei der Organisation.

2.1. Finanzen

Finanzen sind für oft eine heikle Angelegenheit. Viele ältere Menschen haben Schwierigkeiten damit, die Kontrolle über die Ausgaben ihrer Rente bzw. ihres Ersparten an eine andere Person abzugeben. Wenn sie jedoch ihre finanzielle Angelegenheiten wegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder nachlassender geistiger Kräften nicht mehr selbst regeln können, bestellt der deutsche Staat per Betreuungsverfahren einen rechtlichen Vertreter. Sollte es dazu kommen, können weder der Ehepartner noch andere Familienmitglieder die Bankgeschäfte übernehmen. Mit einer Vorsorge- bzw. einer Betreuungsvollmacht lässt sich dieser Fall vorab regeln: In den jeweiligen Vollmachten legt man fest, wer im Pflegefall eine Kontovollmacht bekommt. Auf diese weise lässt sich ein Betreuungsverfahren vermeiden.

Neben der rechtlichen Vorsorge sollten sich Betroffene und Angehörige überlegen, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Folgende Fragen sind hierbei von Bedeutung:

  • Wie hoch ist das monatliche Einkommen?
  • Ist Vermögen vorhanden, auf das bei Bedarf zurückgegriffen werden kann?
  • Bestehen bereits private Pflegeversicherungen, z. B. eine Pflegezusatzversicherung oder eine Pflegetagegeldversicherung?
  • Müssen finanzielle Verpflichtungen, z. B. Bankkredite bedient werden?
  • Bekommt der Pflegebedürftige bereits Leistungen der Pflegekasse oder wurden diese beantragt?
  • Besteht bereits eine Vorsorge- bzw. Betreuungsvollmacht, in der ein Bevollmächtigter und Wunschbetreuer genannt sind?

2.2. Antragstellung bei der Pflegekasse

Ein erster wichtiger Schritt im Pflegefall ist die Antragstellung auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der zuständigen Pflegekasse. Versicherte, die noch keinen Kontakt mit ihrer Pflegekasse hatten, setzen sich zunächst mit ihrer Krankenkasse in Verbindung. Der Antrag wird dann an den entsprechenden Zuständigkeitsbereich der Pflegekasse weitergeleitet.

Sobald der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, versendet die Kasse ein Formular für die Beantragung bestimmter Pflegeleistungen, das zuhause ausgefüllt und an die Pflegekasse zurückgeschickt wird. Im Formular bittet die Pflegekasse um zusätzliche Angaben darüber, welche Leistungen beantragt werden.

Beim Ausfüllen sollten sich Betroffene und Angehörige deshalb gemeinsam folgende Fragen stellen:

  • Soll der Pflegebedürftige zuhause durch einen Angehörigen bzw. einen ambulanten Pflegedienst oder stationär in einer Pflegeeinrichtung betreut werden? (auch Tages- und Nachtpflege sind möglich)
  • Welche Hauptleistungen sollen bei Pflegegrad 2 bis 5 bezogen werden? Hierbei kommen Pflegegeld (bei Pflege durch Angehörige), Pflegesachleistungen (bei ambulanter Pflege), die Kombinationspflege aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen oder anteilige Kosten für vollstationäre Pflege in Frage.
  • Wie können weitere Entlastungsleistungen, Kostenübernahme für Pflegehilfsmittel, Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie Zuschüsse für Wohnraumanpassungen sinnvoll genutzt werden?

2.3. Organisation der Pflege

Die wohl wichtigste Entscheidung im Pflegefall ist die Wahl der Pflegeform. Fällt die Entscheidung auf häusliche Pflege, müssen Angehörige darüber sprechen, wer die Pflege in welchem Umfang übernehmen kann. Auch die Entlastungsmöglichkeiten der hauptverantwortlichen Pflegeperson sollten beleuchtet werden. Wohnen mehrere Angehörige in der Nähe, könnte sich womöglich ein Tag in der Woche ein anderes Familienmitglied um den Pflegebedürftigen kümmern. Wenn keine weiteren Angehörigen nah beim Pflegebedürftigen wohnen, sollte die Unterstützung einer Haushaltshilfe in Betracht gezogen werden. Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich ein anderer Angehöriger um sämtliche organisatorische Angelegenheiten, wie beispielsweise Anträge und Finanzgeschäfte kümmert. Dieses Familienmitglied benötigt dann allerdings eine Vollmacht. Auch bei stationärer Pflege ist es wichtig, für diese Angelegenheiten eine Person zu beauftragen. 

Pflegende Angehörige, die eine eigene Familie haben, sollten zudem genügend Zeit für diese einplanen. In den meisten Fällen muss der Partner mehr Familienarbeit übernehmen. Es ist daher notwendig, dass er die Entscheidung zur Pflege mitträgt und unterstützt. Außerdem sollten sich Pflegende Gedanken machen, wer bei Krankheit der Kinder oder eigener Krankheit als Ersatzpfleger einspringen kann. Letztendlich bleibt die Aufgabenverteilung eine individuelle Sache. Wichtig ist, dass verbindliche Regelungen mit anderen Familienmitgliedern getroffen werden müssen, damit sich der Pflegende nicht allein fühlt.

3. Wie lässt sich die frühzeitige Vorsorge für den Pflegefall realisieren?

Damit die Angehörigen im Pflegefall nach dem Willen der pflegebedürftigen Person handeln können, sollten Betreuungs- und Patientenrechte spätestens (!) zu Beginn erster körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen, am besten aber schon früher wahrgenommen werden. Dies kann mithilfe schriftlicher Verfügungen und Vollmachten geschehen. Mit dem Testament kann die Erbfolge unabhängig von der gesetzlichen Erbfolge selbst bestimmt werden.

3.1. Vorsorge- und Betreuungsvollmacht

Die Vorsorgevollmacht, die gesetzlich im § 164 BGB geregelt ist, stellt eine Willenserklärung dar. Sie räumt einer selbst festgelegten Person das Recht ein, im Namen des Pflegebedürftigen zu handeln. Mit der Vorsorgevollmacht wird die bevollmächtigte Person zum Vertreter im Willen. Das bedeutet, sie entscheidet an Stelle des nicht mehr entscheidungsfähigen Vollmachtgebers. Dabei kann frei bestimmt werden, auf welche Angelegenheiten sich dieses Recht bezieht und wann es in Anspruch genommen werden darf. In der Regel ist dies der Zeitpunkt, an dem der Pflegebedürftige nicht mehr in der Lage ist, selbst über seine Angelegenheiten zu entscheiden. Mit der Vorsorgevollmacht lässt sich die Bereitstellung eines gesetzlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht vermeiden. Umso wichtiger ist es, dass als Betreuer eine Person bemächtigt wird, dem der Ersteller der Vollmacht sein vollstes Vertrauen schenkt.

Die Betreuungsverfügung regelt, wen das Gericht im Pflegefall als gesetzlichen Betreuer einsetzt (wenn dieser nicht in der Vorsorgevollmacht festgelegt wird). Dabei ist das Gericht generell an diese Wahl gebunden, es sei denn, das Wohl der zu betreuenden Person wird dadurch gefährdet. Außerdem kann in einer Betreuungsverfügung bestimmt werden, wer auf keinen Fall als Betreuer eingesetzt werden darf. Dabei können Betroffene auch die gewünschte Art der Pflege, zum Beispiel die häusliche Pflege oder die Betreuung im Pflegeheim, geäußert werden. 

3.2. Patientenverfügung

Ebenso wie die Vorsorgevollmacht ist die Patientenverfügung eine Willenserklärung, die eintritt, wenn der Verfügungsgeber nicht mehr in der Lage ist, den eigenen Willen eigenständig zu erklären. Mit einer Patientenverfügung kann über medizinische Maßnahmen bestimmt werden, die im Falle einer Entscheidungsunfähigkeit in Erwägung gezogen werden. Der zuständige Arzt prüft dann, ob sich die Festlegung mit der aktuellen Situation der Gesundheit und Behandlung deckt. Wenn dies zutrifft, muss das medizinische Personal die festgelegten Punkte der Patientenverfügung umsetzen.

3.3. Testament

Wer mit der gesetzlichen Erbfolge nicht einverstanden ist, kann mit einem Testament regeln, wer nach dem eigenen Tod bedacht werden soll – und wer nicht. Im Testament lässt sich genau festlegen, welcher Erbe was erben soll. Hier geht es beispielsweise um Vermögen, Grundbesitz oder Wertgegenstände. Wichtig: Wer sein Testament eigenmächtig und nicht mithilfe eines Notars aufsetzen möchte, muss die letztwillige Verfügung handschriftlich verfassen.

Ein privatschriftliches Testament muss folgende Bausteine enthalten:

  • eindeutige Überschrift, zum Beispiel „Testament" oder „Letzter Wille"
  • genaue Benennung des Erblassers und der Erben
  • Ort und Datum
  • Unterschrift mit Vor- und Familiennamen

HINWEIS DER REDAKTION:

Es empfiehlt sich anschließend die Hinterlegung beim zuständigen Amtsgericht, um sicherzugehen, dass das Testament nach dem Tod auch eröffnet und nicht etwa von einem enttäuschten Erben unterschlagen oder vernichtet wird. Auf gerichtsstand.net finden Sie heraus, welches Amtsgericht für Sie zuständig ist. 

 

zuletzt aktualisiert: 01/2024


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Quelle: Redaktion seniorenportal.de

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