Rechtliche & finanzielle Absicherung für pflegende Angehörige

Pflegende Angehörige können verschiedene Arbeitsmodelle und finanzielle Hilfen beanspruchen. Besonders wichtig ist die soziale Absicherung während der Pflegezeit.

Zwei Hände, die einander halten
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1. Wie lassen sich Beruf und Pflege vereinbaren?

2. Welche rechtlichen Ansprüche haben pflegende Angehörige?

2.1. Kurzfristige Arbeitsverhinderung

2.2. Pflegezeit

2.3. Familienpflegezeit

2.4. Auszeit während der letzten Lebensphase

3. Wie können sich pflegende Angehörige absichern?

3.1. Privathaftpflichtversicherung

3.2. Kranken- und Pflegeversicherung

3.3. Rentenversicherung

3.4. Unfall- und Arbeitslosenversicherung

4. Welche finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten bestehen?

4.1. Pflegeunterstützungsgeld

4.2. Zinsloses Darlehen


1. Wie lassen sich Beruf und Pflege vereinbaren?

Müssen Arbeitnehmer ihre berufliche Tätigkeit teilweise oder ganz aufgeben, um eine nahestehende Person zu versorgen, stehen sie meist vor finanziellen Herausforderungen. Der Gesetzgeber bietet mit der kurzfristigen Arbeitsverhinderung, Pflegezeit und Familienpflegezeit verschiedene Möglichkeiten, die Erwerbstätigkeit für eine gewisse Zeit auszusetzen. Während dieser Zeit kommt die Pflegekasse des Pflegebedürftigen für Renten-, Arbeits- und Unfallversicherungsbeiträge des Pflegenden auf. Darüber hinaus erhalten pflegende Angehörige mit dem Pflegeunterstützungsgeld und einem zinslosen Darlehen finanzielle Unterstützung.

2. Welche rechtlichen Ansprüche haben pflegende Angehörige?

Arbeitnehmer können im akuten Pflegefall die kurzfristige Arbeitsverhinderung und anschließend die sechsmonatige Pflegezeit beanspruchen. Mit der Familienpflegezeit ermöglicht der Gesetzgeber, die Arbeitszeit bei aufstockendem oder gleichbleibendem Gehalt zu reduzieren und später wieder auszugleichen. In der letzten Lebensphase ihres Angehörigen können Arbeitnehmer ihre berufliche Tätigkeit bis zu drei Monate lang aussetzen.

2.1. Kurzfristige Arbeitsverhinderung

Jeder Arbeitnehmer kann unabhängig von der Größe des Unternehmens und der Dauer der Betriebszugehörigkeit eine kurzfristige Freistellung von der Arbeit bis zu zehn Tage pro Jahr in Anspruch nehmen. Wenn ein Angehöriger akut pflegebedürftig wird und die Pflegesituation organisiert muss, reicht im Prinzip eine telefonische Mitteilung an den Arbeitgeber, um die zehntägige Arbeitsverhinderung wahrzunehmen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können diese kurzfristige Freistellung einmal pro Jahr pro pflegebedürftiger Person beanspruchen.

Während der kurzzeitigen Arbeitsbefreiung bleiben Arbeitnehmer kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversichert, auch wenn das Arbeitsentgelt nicht weitergezahlt wird. Zudem dürfen Arbeitnehmer während dieser ZEit nicht gekündigt werden, jedoch besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Lohnfortzahlung (Beschäftigte mit Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen können sich unter Umständen darauf berufen).

TIPP DER REDAKTION:

Sichern Sie sich ab, indem Sie Ihrem Arbeitgeber eine schriftliche Mitteilung über ihre Abwesenheit per E-Mail, Brief oder Fax senden. Im Streitfall können Sie auf diese Weise belegen, dass Sie ihn über Ihre Abwesenheit informiert haben. Ihre Mitteilung muss lediglich beinhalten, dass Sie einen Angehörigen in einer akuten Pflegesituation versorgen müssen und Sie deshalb nicht zur Arbeit kommen können. Sie müssen Sie Ihren Arbeitgeber nicht darüber informieren, um welchen Angehörigen es sich handelt. Allerdings hat er ein Recht darauf zu erfahren, wie viele Tage Sie Ihrer beruflichen Tätigkeit voraussichtlich nicht nachgehen können. Für ihn besteht außerdem die Möglichkeit, eine ärztliche Bescheinigung über die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit des Angehörigen verlangen. Die zehn Tage können Sie sich im Übrigen auch aufteilen, sie müssen nicht am Stück in Anspruch genommen werden.

2.2. Pflegezeit

Wenn absehbar ist, dass der Pflegebedürftige eine Betreuung über einen längeren Zeitraum benötigt, können sich Angehörige bis zu sechs Monaten von der Arbeit befreien lassen. Dies ist jedoch nur in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten möglich. Darüber hinaus besteht die Voraussetzung, dass der Pflegende in einen anerkannten Pflegegrad eingestuft ist. Möchten Beschäftigte die Pflegezeit beanspruchen, sollten sie ihren Arbeitgeber spätestens zehn Tage vor Beginn der Pflegezeit darüber informieren. In der Mitteilung sollte der Arbeitgeber darüber in Kenntnis gesetzt werden, welcher Verwandtschaftsgrad zum Pflegebedürftigen besteht, in welchem Zeitraum und wie lange die Pflegezeit wahrgenommen wird. Möchten Arbeitnehmer die Pflegezeit verlängern oder verkürzen, muss der Arbeitgeber zustimmen. Die Pflegezeit endet mit dem Tod des Pflegebedürftigen, bei Umzug in eine Pflegeeinrichtung oder wenn die häusliche Pflege aus anderen Gründen nicht mehr möglich ist. Arbeitnehmer können dann eine Übergangsfrist von einem Monat nach Eintritt der Veränderung beanspruchen, bevor sie ihre Stelle wieder antreten.

2.3. Familienpflegezeit

Im Rahmen der Familienpflegezeit können pflegende Angehörige ihre Arbeitszeit höchstens zwei Jahre lang auf mindestens 15 Stunden pro Woche zu verkürzen, um eine nahestehende Person in häuslicher Umgebung zu betreuen. In diesem Zeitraum besteht ein besonderer Kündigungsschutz.

Die Familienpflegezeit kann in Anspruch genommen werden, wenn pflegende Angehörige in einem Unternehmen arbeiten, in dem mehr als 25 Menschen beschäftigt sind. Außerdem müssen sie diese Entscheidung ihrem Arbeitgeber mindestens acht Wochen vor dem Start der Familienpflegezeit schriftlich mitteilen. 

Arbeitet man in einem Unternehmen mit weniger als 25 Beschäftigten, muss der Arbeitgeber den Antrag auf Familienpflegezeit innerhalb von vier Wochen beantworten und im Falle einer Ablehnung diese begründen. 

Wegen ihres Verdienstausfalls während der Familienpflegezeit können Betroffene ein zinsloses Darlehen vom Start beanspruchen. Eine weitere Möglichkeit ist die sogenannte Wertguthabenvereinbarung mit dem Arbeitgeber. In diesem Fall besteht die Familienpflegezeit aus zwei Phasen: der eigentlichen Pflegezeit und der Nachpflegephase. Während der Pflegezeit kann der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit bis zu zwei Jahre lang auf mindestens 15 Stunden pro Woche reduzieren. Das Gehalt verringert sich während dieser Zeit jedoch nur halb so stark wie die Arbeitszeit.

Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer nimmt Familienpflegezeit in Anspruch und wechselt von einer Vollzeitstelle zu einer halben Stelle (50 Prozent). Er bekommt dann 75 Prozent des Bruttoeinkommens der Vollzeitstelle ausbezahlt. Während der Nachpflegephase geht der Arbeitnehmer dann wieder Vollzeit arbeiten, bekommt aber solange weiterhin nur 75 Prozent seines Bruttogehaltes überwiesen, bis sein Wertguthaben ausgeglichen ist. Die Familienpflegezeit kann grundsätzlich an die sechsmonatige Pflegezeit angeschlossen werden. Als Basis der Berechnung gilt dann das vor der Pflegezeit gezahlte Gehalt.

Stimmt der Arbeitgeber zu, muss eine Wertguthabenvereinbarung über Beginn und Dauer der Familienpflegezeit, Umfang der Arbeitszeit während der beiden Phasen, die Aufstockung des Gehalts und den Ausgleich des Zeitlohnkontos geschlossen werden.

TIPP DER REDAKTION:

Das Modell der Familienpflegezeit kann flexibel gestaltet werden. Sind Sie beispielsweise mit 20 Stunden pro Woche teilzeitbeschäftigt, können Sie mit Ihrem Chef vereinbaren, bei gleichem Gehalt reduziert weiterzuarbeiten (z. B. 15 Stunden pro Woche). In der Nachpflegezeit wechseln Sie dann auf eine höhere Stundenzahl, in diesem Beispiel auf 25 Stunden pro Woche. Die Stunden werden dabei so lange nachgearbeitet, bis das Arbeitszeitkonto ausgeglichen ist.

2.4. Auszeit während der letzten Lebensphase

In der letzten Lebensphase ihres Angehörigen können Pflegende bis zu drei Monate teilweise oder ganz von der Arbeit aussetzen. Sie können somit Ihrem Angehörigen auf seinem letzten Weg beistehen, auch wenn sich der nahe Angehörige in einem Hospiz befindet. Ein Pflegegrad ist nicht erforderlich. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes können Angehörige in diesem Zeitraum ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen (s. u.). 

3. Wie können sich pflegende Angehörige sozial absichern?

Die Pflegekasse des Pflegebedürftigen übernimmt die Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung der Pflegeperson, wenn diese die berufliche Tätigkeit wegen eines erhöhten Pflegeaufwandes reduzieren oder vollständig aufgeben muss. Oft können sich Pflegende während dieser Zeit kostenlos bei der Familienversicherung krankenversichern. Eine private Haftpflichtversicherung ist darüber hinaus für den Schadensfall unbedingt notwendig.

3.1. Privathaftpflichtversicherung

Die private Haftpflichtversicherung gehört zu den wichtigsten Versicherungen für alle Bürgerinnen und Bürger, denn sie zahlt im Schadensfall Dritter. Dies gilt auch im Bereich der häuslichen Pflege. Pflegende Angehörige, die ihren Partner oder ihr Elternteil im gemeinsamen Haushalt versorgen, sind meist gemeinsam haftpflichtversichert. Im Falle eines Schadens kommen die meisten Versicherungen jedoch nicht für Schäden auf, die im gemeinsamen Haushalt passieren. Da die Versicherung nicht für einzelne Personen, sondern für die Versicherungsgemeinschaft als Ganzes haftet, wäre bei Schadensfällen der Verursacher auch gleichzeitig der Geschädigte.

Pflegende Angehörige, die nicht mit dem Pflegebedürftigen zusammenleben, sollten bei der Wahl der Privathaftpflichtversicherung darauf achten, dass sie gegen Regressforderungen von Sozialversicherungsträgern versichert sind.

Übrigens: Unabhängig von der Haftpflichtversicherung des pflegenden Angehörigen sollten auch Pflegebedürftige unbedingt haftpflichtversichert sein.

TIPP DER REDAKTION:

Betreuen Sie Ihren Partner oder Elternteil als pflegender Angehöriger im gemeinsamen Haushalt? Dann sollten Sie ihre Familienhaftpflichtversicherung prüfen und gegebenenfalls über einen Wechsel nachdenken. Es gibt auch Tarife von Haftpflichtversicherungen, die Personen- und Sachschäden innerhalb einer Versicherungsgemeinschaft begleichen. Diese sind meist etwas teurer als Standardtarife, zahlen sich im Versicherungsfall aber aus.

3.2. Kranken- und Pflegeversicherung

Generell sind pflegende Angehörige nicht automatisch kranken- und pflegeversichert. Wer keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht, kann sich oft über die Familienversicherung des Partners oder der Eltern kostenlos mitversichern. Wer weder über eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit noch über die Familienversicherung versichert ist, muss sich freiwillig gesetzlich oder privat krankenversichern. In der Regel wird dann der Mindestbetrag fällig, den sich pflegende Angehörige von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen rückerstatten lassen können. Hierfür können Pflegende einen Vordruck bei der zuständigen Pflegekasse erhalten.

3.3. Rentenversicherung

Die meisten pflegenden Angehörigen können für die Dauer der Pflegezeit rentenversichert bleiben, ohne eigene Beiträge zu zahlen. Die finanzielle Verpflichtung liegt dabei bei der gesetzlichen oder privaten Pflegekasse, bei der der Pflegebedürftige versichert ist. Sie zahlt für die Dauer der Pflege die Rentenversicherungsbeiträge der pflegenden Person. Voraussetzung dafür ist, dass der Pflegende eine oder mehrere pflegebedürftige Personen ab Pflegegrad 2 für mindestens zehn Stunden pro Woche pflegt. Diese Wochenpflegezeit kann auf zwei Tage verteilt werden. Weiterhin darf der pflegende Angehörige in dieser Zeit maximal durchschnittlich 30 Stunden pro Woche einer Erwerbstätigkeit nachgehen (angestellt oder selbständig). Außerdem muss die notwendige Pflegedauer voraussichtlich mindestens 60 Tage betragen. Ferner muss der Wohnsitz des pflegenden Angehörigen in Deutschland, der Schweiz oder im EU-Ausland liegen, um Anspruch auf deutsche Rentenversicherungsbeiträge zu erhalten.

Den notwendigen „Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen" erhalten pflegende Angehörige bei der Beratungsstelle der zuständigen Pflegekasse. Dieser muss lediglich ausgefüllt und abgegeben werden, ein separater Antrag ist nicht erforderlich. Nach Erhalt eines positiven Bescheids sind pflegende Angehörige automatisch rentenversichert.

3.4. Arbeitslosenversicherung

Ebenso wie für Rentenversicherungsbeiträge ist die Pflegeversicherung für Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zuständig. Die Beiträge werden dabei von der Pflegeversicherung an die Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Hierbei müssen grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie bei der Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge vorliegen. Zusätzlich gilt: Die Erwerbstätigkeit wurde aufgegeben, um die Pflege eines Angehörigen zu übernehmen (das heißt, es besteht kein Arbeitsverhältnis, das der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegt). Vor der Übernahme durch die Pflegekasse muss zudem ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestanden haben.

3.5. Unfallversicherung

Pflegende Angehörige sind prinzipiell nach § 44 SGB XI unfallversichert. Dabei müssen zunächst die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein, die auch die Renten- und Arbeitslosenversicherung betreffen. Darüber hinaus gilt die Unfallversicherung jedoch nur zu denjenigen Zeiten, in denen gepflegt wird (einschließlich Wegezeiten). Die Pflege muss außerdem zuhause stattfinden, also im Haus oder der Wohnung des Pflegebedürftigen, des pflegenden Angehörigen oder auch in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens.

4. Welche finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten bestehen?

Mit dem Pflegeunterstützungsgeld im akuten Pflegefall und einem zinslosen Darlehen des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben bestehen zwei finanzielle Hilfen für pflegende Angehörige und ihre Familie.

4.1. Pflegeunterstützungsgeld

Während der zehntägigen kurzzeitigen Arbeitsverhinderung haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Es soll Familien ermöglichen, sich im akuten Pflegefall ohne erhebliche Einkommensverluste um den pflegebedürftigen Angehörigen kümmern zu können. Das Pflegeunterstützungsgeld muss sofort nach Inanspruchnahme der kurzfristigen Arbeitsverhinderung bei der Pflegekasse des Arbeitnehmers gestellt werden. Voraussetzung ist, dass eine akute Pflegebedürftigkeit vorliegt (zum Beispiel ein schwerer Sturz) und der Antragsteller ein naher Angehöriger des Pflegebedürftigen ist. Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt in der Regel 90 Prozent des tatsächlich ausgefallenen Nettogehalts des pflegeversicherten Arbeitnehmers. Es beträgt sogar 100 Prozent, wenn in den letzten zwölf Monaten eine Einmalzahlung wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld stattgefunden hat.

4.2. Zinsloses Darlehen

Nehmen pflegende Angehörige Pflegezeit oder Familienpflegezeit wahr, besteht Anspruch auf ein zinsloses Darlehen des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Das Darlehen wird in Monatsraten ausgezahlt und in dieser Weise auch wieder zurückgezahlt. Die Rückzahlung kann durch Härtefallregelung herausgeschoben werden. Darüber hinaus kann ein teilweiser Darlehenserlasses oder ein Erlöschen der Darlehensschuld erfolgen.

 

zuletzt aktualisiert: 02/2024


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Quelle: Redaktion seniorenportal.de

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