Biologische Informationen zur Corona-Krise Teil 1


Biologische Informationen  zur Corona-Krise Teil 1
Letztes Update: 28.1.2021

(Im Wörterbuch habe ich einige der Fachbegriffe erläutert, die ich in diesem Text benutze. Dazu kann man sich ein zweites Fenster öffnen.)


Vorbemerkung: 

Der Laie wird derzeit mit Informationen und Falschinformationen zu dem SARS-CoV-2 Virus und den durchgeführten Impfungen bombardiert und es ist nur verständlich, wenn er nach Orientierung sucht. Ihnen ist nicht vorzuwerfen, wenn sie verwirrt sind. Es ist nicht immer einfach, Fakenews sofort zu erkennen. Es ist für ihn schwer den Fachmann vom Dilettanten, sachdienliche Informationen von Desinformation zu unterscheiden. Leider gibt es viele, die sich nur einen weißen Kittel überziehen und sich dann bei Youtube als Fachmann anpreisen.

Da es nicht möglich ist, jedem Unsinn, der auf Youtube oder Facebook publiziert wird, einzeln zu widersprechen (mit einem Versuch werde ich meine restliche Lebenszeit nicht verschwenden), möchte ich heute als Genetiker und Biologe damit beginnen einige grundlegende, allgemeinverständliche Texte zu Viren allgemein, zu RNA-Viren im Besonderen und zu RNA-Impfungen einzusetzen.

Vielleicht gelingt es ja damit, einigen der interessierten Leser zu helfen, in den sozialen Medien die Spreu vom Weizen zu trennen und Desinformation zu erkennen. Ich selbst werde mich auf Sachinformationen beschränken und nicht auf teilweise extrem polemische Texte in den sozialen Medien eingehen.

Ich werde hierzu nach und nach mehrere Blogs mit zumindest folgenden Themen schreiben:
 
  1. Was sind Viren überhaupt?
  2. Was sind spezifische Eigenschaften des SARS-CoV-2 Virus?
  3. Welche Impfstoffentwicklungen gibt es?

Ich habe im Hauptfach Genetik in Freiburg studiert und dort ein Biologie-Diplom erworben, in London ein Biochemie-Diplom, in Freiburg promoviert und in Würzburg im Fach Genetik habilitiert. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich eng mit Medizinern zusammen gearbeitet und war in Würzburg und später in Freiburg in die Lehre der Genetik für Mediziner eingebunden (Lebenslauf). An einem Lehrbuch für Genetik habe ich mitgearbeitet und nach meiner Pensionierung ein kleines Büchlein über "Erblichkeit der Intelligenz - eine Klarstellung aus biologischer Sicht" publiziert, das jetzt gerade ins Englische übersetzt wird (alle meine Schriften).

Meine Lehrer Bresch und Hausmann haben mich während des Studiums viel über Viren und ihre Genetik gelehrt. Ich denke einiges von der Faszination dieses Wissensgebietes vermitteln zu können, ohne mich in zu viel Fachchinesisch zu verirren.


1. Was sind Viren überhaupt?


Parasiten sind Lebewesen, die auf Kosten anderer leben (auch Schmarotzer genannt). Diese können auf dem menschlichen Körper leben (z. B. Zecken, Flöhe, Läuse) oder als sogenannte Endoparasiten im Körper (z. B. Bandwürmer, manche Fadenwürmer, Bakterien etc.).

Die ältesten Parasiten auf dieser Erde sind jedoch die Viren. Sie existierten schon bevor es Vielzellige Lebewesen gab, denn ihnen genügt eine einzelne Zelle, die sie befallen und so umprogrammieren, dass diese die virale Erbinformation multipliziert und die Eiweiße der viralen Hüllen bildet. Darin erschöpft sich die Wirtszelle und setzt mit ihrem Tod viele Kopien des ursprünglichen viralen Partikels frei.

Noch bevor zelluläres Leben auf dieser Erde echte Zellkerne ausbildete, gab es Viren. So haben auch Bakterien ihre Viren. Diese nennt man Bakteriophagen (Bakterienfresser). An ihnen sind die grundlegenden Prozesse des Lebenszyklus von Viren zuerst studiert und aufgeklärt worden.

Ich möchte die gewonnenen Erkenntnisse hier kurz zusammenfassen:

Außerhalb von ihren zellulären Wirten existieren Viren als Partikel aus Eiweißen und Lipiden, in die die Erbsubstanz verpackt ist. Einen eigenen Stoffwechsel gibt es in dieser Form nicht. Der virale Partikel ist dahingehend optimiert, die Zeit bis zur nächsten Infektion einer Wirtszelle zu überdauern. Allerdings besitzt er die Fähigkeit an passende Wirtszellen zu binden. Durch diese Bindung wird die Infektion der Wirtszelle ausgelöst und sie besteht darin, dass das oder die Erbmoleküle des Virus in die Wirtszelle injiziert werden.

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Diesen "T4" genannten "Bakterienfresser" kann man durchaus mit einer Injektionsnadel vergleichen. Einmal an die richtige Wirtszelle angedockt, wird die Erbinformation (im Falle von T4 ist das DNA) injiziert.

Ist das Erbmolekül einmal in die Wirtszelle eingebracht, beginnt es dort den Stoffwechsel umzuprogrammieren, so dass dieser nur noch das eine Ziel hat, die virale Erbsubstanz und die Eiweiße (Proteine) des Virus herzustellen. 

[Angemerkt sei jedoch, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Manche Virenarten schlagen nicht sofort den "krankmachenden" Weg ein, sondern integrieren sich in das Wirtsgenom und lassen sich bequem von Zell- zu Zellteilung mitschleppen. Es gibt auch viele Beispiele für so etwas wie Symbiose: Manche Viren können nützliche Genfunktionen mit sich bringen, die der Wirtszelle nutzen.]

Viren sind gentechnische Piraten. Sie kapern eine Wirtszelle und machen sie sich zunutze, um sich zu vermehren.

Zwischen den beschriebenen Bakteriophagen und dem SARS-CoV-2 Virus gibt es zwar viele Unterschiede, aber das Lebensmotto ist das Gleiche: Das Ziel ist es möglichst viele Nachkommen zu erzeugen.

Dazu jedoch mehr in Teil 2

Bildschirmfoto 2020-11-22 um 10.34.11.png

Karl

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Kommentare (17)

ehemaliges Mitglied

... und General Electric ist auch wieder dabei.
Diese Firma hat wirklich einen ausgezeichneten Riecher.
Sie pumpen immenses Geld in erfolgversprechende Projekte.
Auch in der CT-Branche.
Schade, dass ich mit 80 schon aus dem Raster falle.
Ich würde soo gern noch mal ne Runde drehen.
Obwohl .. eigentlich sollte ich die Gusche halten, und zufrieden sein.
Ich habs ja 'gehabt'. Jampen muss ich aber doch.

https://www.ge.com/news/reports/think-inside-the-box-this-parisian-hospital-has-a-dedicated-ct-cabin-for-its-covid-19-patients

https://www.gehealthcare.de/

Tannenmuetterchen

Lieber Karl,
super! Und herzlichen Dank für diesen Artikel, aber auch für die unermüdlichen Klarstellungen in anderen Blogs.

Eine Frage habe ich noch. In Dänemark wurden kürzlich tausende Nerze auf Nerzfarmen eingeschläfert, weil sich Pfleger bei ihnen angesteckt hatten. Da war dann auch die Rede von bereits bestehenden Mutationen.
Wie denkst du darüber?

Liebe Grüße von Ruth

Karl

@Tannenmuetterchen  

ich habe inzwischen zu der  Cluster-5-Variante  aus Nerzen in Dänemark einiges gelesen.  Es handelt sich um keine neue gefährliche Mutation für den Menschen. Die Eigenschaften des Virus sind für den Menschen nicht verschlimmert worden, sondern es handelt sich um eine eher neutrale Mutation, wie sie sehr häufig auftreten. Solche Mutationen kann man verwenden, um Infektionswege zu verfolgen. Inzwischen scheint der Weg des Clusters-5 beendet zu sein, d. h. es gibt keine Neuinfektion mit diesem molekularen Muster mehr und die Nerze wurden alle getötet (mir war übrigens nicht bewusst, dass sich noch immer Damen die Häute toter Tiere umhängen).

Zu Mutationen habe ich in meinem 2. Blog etwas mehr geschrieben.

Karl

Karl

@Tannenmuetterchen  

Liebe Ruth, ich werde versuchen mich kundig zu machen. Bisher weiß ich das auch nur, weil es in einem Videochat erwähnt wurde.

Karl

werderanerin

Danke Karl für deine Mühe, das alles hier aus wissenschaftlicher Sicht zu erläutern. Ich habe versucht, es zu verarbeiten...

Zur Aussage " Viren sind gentechnische Piraten"...derzeit haben wir ja, wenn ich das jetzt richtig einordne nur die Möglichkeit, mittels Impfung gegen Viren anzugehen. 

Wie siehst du die Zukunft, Karl...wird es immer "nur" Impfungen geben oder wie ist die Entwicklung dahingehend...?
Könnten schon Babys in ferner Zukunft eine Art "Virenchip" bekommen und gut ist für das Leben...keine Probleme mehr oder ist das Illusion ...?

Könnte es noch etwas ganz anderes geben ? Wie ist der Forschungsstand dahingehend ?

Kristine

 

Karl

@werderanerin  

liebe Kristine, an einen antiviralen Universalchip glaube ich nicht. Viren sind praktisch so alt wie das zelluläre Leben und anpassungsfähig. Sie verändern sich ja ständig und deshalb ist nur zu hoffen, dass wir (die Menschen) immer schneller bei der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen werden. Dabei hilft uns die Digitalisierung schon enorm.

Wir haben aber nicht unter Kontrolle, was in der freien Natur passiert. Der zunehmende Kontakt mit seltenen Tierarten kann immer wieder unangenehme Überraschungen bringen. Die Überbevölkerung mit Menschen und die Reisetätigkeit kann immer wieder zu neuen Pandemien führen.

Karl

ehemaliges Mitglied

Danke für ihre Erklärung Karl, wobei sie mir gestatten auf ihre Vorbemerkung kurz einzugehen?

Der Laie wird derzeit mit Informationen und Falschinformationen zu dem SARS-CoV-2 Virus und den geplanten Impfungen bombardiert und es ist nur verständlich, wenn er nach Orientierung sucht. 

Viren bestehen ja im Grunde nur aus gut verpacktem Erbgut und ein paar Proteinen. Tollwut, Rotavirus, Gelbfieber, Grippe, Dengue, Pocken - die angeblich ausgestorben sind und doch kommen sie manchmal wieder.
HIV sind in Lauerstellung, Herpes ist eine weit verbreitete Infektionskrankheit, die von Viren verursacht wird. Einmal damit infiziert, bleibt das Virus ein Leben lang unbemerkt im Körper.

Diese "Angst" bei vielen Menschen und die Unsicherheit SARS-CoV-2 Virus ist doch auch zurück zu führen, dass der Mensch  nicht  unsterblich ist und das Leben schon mit der Geburt, mit dem Tod einhergeht. Mit dieser "Angst/Unsicherheit" und dem seit Jahrzehnten tabuisierten Thema des Sterbens, kann die Masse ohne viel Aufwand manipuliert werden bzw. eine freie Meinungsäußerung bei Diskussionen abwürgen. 
Auch die schnelle Produktion und Zulassung eines Impfstoffes, das Vertrauen sich impfen zu lassen, ist somit beeinträchtigt und spaltet die Gesellschaft.


Schlagzeile:
Ein mutmaßlich erfolgreicher Impfstoff !
 
Da überfiel auch mich ein geschichtliches Déjà-vu, liegt noch gar nicht so lange zurück.
Contergan war ohne ein öffentlich-rechtliches Zulassungsverfahren auf den Markt gebracht worden. 1957 nahm in Deutschland der weltweit größte Arzneimittelskandal um das Schlafmittel Contergan seinen Lauf.

Es wäre schön wenn die Menschen in diesen Zeiten noch darüber diskutieren und sich austauschen könnten, ohne dass gleich die "Keule" geschwungen wird wie "Leugner oder Gegner" . Nicht jeder Mensch ist dazu in der Lage "diplomatisch" zu kommunizieren, vor allem wenn er oder sie nur noch die eine Seite einer Münze sieht und zu missionarischen Tendenzen neigt.


Warum ist man heutzutage mit einer anderen Meinung immer gleich ein Feind und nicht einfach jemand mit einer anderen Meinung? (unbekannt)

Karl

@WahrnehmenoderWissen  

ich möchte hier gerade mich nicht auf das polemische Niveau begeben, sondern bei den Fachinformationen bleiben. Contergan ist kein Impfstoff und der Vergleich führt uns in der Diskussion nicht wirklich weiter.

Bitte stelle Fragen, wenn Du etwas nicht verstanden hast, ich beantworte das gerne. Auch zur Impfung werde ich noch etwas schreiben. Wenn Du nicht warten kannst, dann findest Du bereits im Forum ein wenig dazu (Link erfordert Sortierung im Forum nach alte Beiträge zuerst).

Beste Grüße

Karl

ehemaliges Mitglied

@karl  

Herzlichen Dank,
es ist vollkommen richtig, dass Contergan kein Impfstoff war, nichts desto  trotz "getestet und ohne öffentlich-rechtliches Zulassungsverfahren" auf den Markt gebracht wurde.

Ihr Hinweis auf "wenn ich nicht warten kann ..." ist nett gemeint. 

 

Karl

@WahrnehmenoderWissen  

ja 😁.

Der Impfstoff ist übrigens getestet. Das derzeitige Ergebnis entstammt einer Phase III Studie und wurde von einer unabhängigen Kommission geprüft.

Karl

JuergenS

fachlich hab ich nicht viel verstanden, aber ich gehe davon aus, dass resultierend aus den arbeiten der wissenschaft abgeleitete erkenntnisse, weltweit auch, die politik bei uns die bestsinnvollsten massnahmen ergriff.

das dynamoelektrische prinzip zum beispiel muß man als laie auch nicht verstehen, motoren jedoch laufen milliardenfach, sogar als autoantriebe.

servus

Karl

@JuergenS  

Lieber Jürgen, was sind denn deine Fragen? Ich erkläre das gerne. Vielleicht hilft auch bereits etwas mein Text hier im ST zu "Häufige Fragen zur Genetik". Karl

indeed

Lieber Karl,

Das ist ungemein interessant und gut nachzuvollziehen. Bis jetzt  :-)), aber ich freue mich auf deine nächste Folge.

An dieser Stelle bietet sich mir an, dir und auch deiner Frau ein herzliches Dankeschön zu sagen für die sachlichen und informativen Richtigstellungen einiger Blogs von wenigen Usern.

Mit lieben Grüßen zu euch von

Ingrid




 

Monalie

Lieber Karl  wunderbar  ich bedanke mich,lieben Gruß Mona🌹

carlos1

Lieber Karl,

wenn Viren als Symbionten beim Menschen sich einfinden konnten, müssten sie doch auch im menschlichen Genom nachweisbar sein. Man könnte sie isolieren und als Viren-Spezies untersuchen.

Wenn Viren eine Rolle spielen in der Evolution, stehen sie wohl auch am Ursprung des Lebens auf der Erde. Woher lommt deren RNA? Ist sie irdischen Ursprungs oder stammt die RNA aus dem Universum?

Viele Grüße
c

Karl

@carlos1  

lieber Carlos, ich glaube nicht, dass der Parasit vor dem Wirt da sein kann. 

Die Frage, wie Viren entstanden sind, ist spannend. Möglicherweise sind springende Gene der Anfang. Vielleicht schreibe ich dazu meine Theorien einmal als Extrablog.
 



Übrigens, tatsächlich gibt es in unserem Erbgut auch viele Sequenzen, die viralen Ursprungs sind.

Karl

ehemaliges Mitglied

Lieber Karl!
Fantastisch...danke!!!
LadyinRed


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