Religionen-Weltanschauungen Mach aus Sorgen ein Gebet

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Der-Waldler vom 17.03.2022, 18:19:37

Nee, Simiya, hast Du nicht, keine Sorge. Ich habe keine "religiösen Gefühle",l die man verletzen könnte. Mir kommt es darauf an, dass in meinem "rationalen" Gottesbild dieser Gott, der wie ein Papa seine Kinder beschützt, und vor allem in das Leben der Lebewesen eingreift, nicht vorkommt.

Um es vielleicht anders zu erklären, was ich meine: Der Mensch fühlt sich frei. Er will selbst bestimmen, was für ihn gut ist, was schlecht, was er tun will, und was nicht, und auch wem er es erlaubt, in sein Leben einzugreifen (z.B. fremden Leuten gewiss nicht!) usw. Aber in der Not fordert er von Gott, dass er eingreift. Das ist doch ein Widerspruch, finde ich. Warum sollte er dem Menschen helfen, nur weil er darum betet? Für mich ist Gott (sofern er ist; ich weiß es wirklich nicht) nichts, über das ich bei Bedarf verfügen kann. Gedanken wie "So, lieber Gott, jetzt hilf gefälligst, oder ich glaube nicht mehr an Dich" finde ich extrem kindlich, das ist für mich kein erwachsener Glaube.

Ich schreibe das also eher theoretisch, denn die Religion, der ich mal 30 Jahre lang sehr nahe stand (und dessen Ethik ich immer noch nahe stehe), der Buddhismus, der kennt so ein Gottesbild nicht, bzw. er kennt überhaupt kein Gottesbild.

Lieben Gruß

DW


 
Über den Buddhismus weiß ich zu wenig, als dass ich mich da äußern könnte. Ich "kenne" ja nur den Gott der Christen, der evangelischen.

Weißt du, als alte Naturwissenschaftlerin habe ich ich mir schon oft Gedanken über einen Gott als Wesen, das im Himmel wohnt, gemacht. Wenn da aber keiner ist, zu wem sollte ich dann beten? Andere sagen, du hast Gott im Herzen. Das könnte ich mir schon eher vorstellen - nicht, dass da einer drin sitzt. Im übertragenen Sinne. Aber wozu sollte ich zu etwas beten, das in mir ist?

Die Bibel, das ist für mich eine Mischung aus Geschichts- und Märchenbuch. So oft, wie sie übersetzt wurde, können unzählige Fehler drin sein. Und selbst, wenn alles wahr wäre, dann hat sich unsere Art zu leben inzwischen so weit verändert, dass wir das Buch kaum noch als Grundlage für unser Handeln in allen Fragen benutzen können.

Das sind meine Gedanken dazu. Viele denken anders und ich bin vielleicht in ihren Augen ein Ketzer. Sorry, eine Ketzerin. Aber wenn ich an die vielen kleinen Jungen denke, die nach dem Besuch vom Priester weinend zu ihrem Gott gebetet haben... Vielleicht haben diese Gebete geholfen.

Simiya
Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von Michiko
Mensch.Gott.jpgHubert Reeves ist ein kanadischer Atom- und Astrophysiker und Autor vieler populärwissenschaftlicher Bücher. Er wurde am 13. Juli 1932 geboren und wird - so Gott will - in diesem Jahr 90 Jahre alt.
BerndHeinrich
BerndHeinrich
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von BerndHeinrich
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.03.2022, 17:40:46

Liebe Simiya,
Du schrubtest u.a.:

Ich will euch doch nicht in eurem religiösen Gefühl verletzen, Zwergohreule und Der-Waldler und alle anderen, die irgendeiner Religion nachgehen!!!
Bei dem was ich bis jetzt von Dir gelesen habe, sehe ich Fragen und Zweifel aber in keinster Form eine Verletzung von (meinen) religiösen Gefühlen, bzw. von (meinen) Glaubensinhalten und/oder christlichen Werten! Mach Dir daher keine Gedanken.

ich [habe] ich mir schon oft Gedanken über einen Gott als Wesen, das im Himmel wohnt, gemacht.
geschrieben von Simiya

Ja, es ist verführerisch, wenn man eine personale Beziehung, zu Gott, sucht, sich diesen so vorstellt, wie ein "gütiger, weiser Mensch" aussehen könnte. Das hilft scheinbar ...

Und dann noch die Bilder in den "prächtigen" (Barock-)Kirchen und/oder der sixtinischen Kapelle ....
Überall dieser "gütige Alte". Und auch sind wir verführt, ihm einen festen Ort zu geben; z.B. "im Himmel" und "über uns" ...

Und dann noch das Wort, "Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie." (1. Moses 1,27, Einheitsübersetzung 2016).
Und schnell sind wir verführt zu glauben, dass er ebensolche Arme und Beine hat, wie wir und nicht etwa, dass er eine Vorstellung (sein Bild von uns), wie wir sein könnten, mit den grundsätzlichen Fähigkeiten, die er uns, eben auch nach diesem seinen Bild, mitgegeben hat.

Für mich hat Gott keine Gestalt und keinen "ort"; für mich ist Gott eine Art "Wesenhaftigkeit", die ich nicht denken kann, weil ich nicht alle möglichen Wesenhaftigkeiten kennen kann! Er ist für mich allgegenwärtig. Er ist in mir, außerhalb von mir, in jeder anderen Erscheiningsform; allgegenwärtig eben.
Und meine christliche Umgebung sieht es ähnlich.
Der wichtigste Punkt übrigens für mich, Gott als unendlich gütig anzusehen ist, dass ich mir gewiss sein darf, dass er mir die vollständige Freiheit meiner Handlungen überläßt und mich eben nicht lenkt, wie eine Art Marionette. Und diese Freiheit ist daher auch verbunden mit Verantwortung, für mein Handeln. Mein Handeln muss zuerst vor meiner christlichen Orientierung, so wie ich sie bis jetzt verstehe, bestehen können. Das heißt, dass ich z.B. beinahe jeden Tag darüber nachdenke, was ich eigentlich getan habe und ob es vor meinen Wertvorstellungen Bestand haben kann. Ob ich damit richtig liege (vermutlich nicht immer oder nicht immer vollkommen) werde ich irgendwann erfahren; von ihm!
Sorry, war lang ....

Die Bibel, das ist für mich eine Mischung aus Geschichts- und Märchenbuch. So oft, wie sie übersetzt wurde, können unzählige Fehler drin sein.
geschrieben von Simiya

Liebe Simiya,
selbst in Märchenbüchern stecken Botschaften!
Bezogen auf die Übersetzungen ist es allerdings so, dass es da eben nicht zu Fehlern gekommen wäre, sondern zu einem noch unvollständigen Verstehen, der historisch-sprachlichen Zusammenhänge.
Alle weiteren Übersetzungen, insbesondere, was die sog. Einheitsübersetzung betrifft, sind Verfeinerungen. Nach Auskunft der Bibelforscher, die ich kennenlernen durfte, ist dabei die größte Schwierigkeit das Spannungsfeld zwischen, zu übersetzender Sprache (der Urschriften) und den momentan vorherrschenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen, die, streng genommen, zunächst nicht einfließen sollte. Es geht also um eine immer bessere Übersetzung.
(Leider) ist die Lutherbibel, die in der Entstehungsgeschichte für überaus wichtig halte, leider die "schlechteste" Übersetzung .... Luther wollte ja übersetzen, nachdem er "dem Volk aufs Maul geschaut hatte". Daher ist da einiges an Übersetzung dabei, dass nicht vollständig an den Urschriften orientiert ist, sondern an Luthers Wunsch, dass die Bibel von "allen" verstanden werden kann. Dafür gebührt ihm unser Dank! Auch der, der Katholiken 😉, finde ich.

Hab einen schönen Abend und einen erholsamen Schlaf, ein frisches und fröhliches Erwachen und dazu
Gottes Segen!

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Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.03.2022, 18:37:38

Liebe Simiya,

Du kommst von Deinem alten Gottesbild nicht los, dem Gottesbild der Kinder... Du verstehst Gott so, wie meine Oma mich das als sehr kleines Kind gelehrt hat. "Der da oben", "ich hier unten", "und wenn Du schön brav bist und immer fleißig betest, dann erfüllt er Dir jeden Wunsch, und Dir kann im Leben nichts Böses passieren".

Ich weiß nicht, wer/wie/was Gott ist, aber eines weiß ich: So ist "er" nicht.

Aber ich mag eigentlich nicht zum dritten Mal schreiben (tu es aber doch), dass sich Freiheitswunsch des Menschen und Im-Notfall-Eingreifen Gottes ausschließen,

Warum warum auch immer, Du magst das nicht so sehen. Ist ja auch okay. Aber zu "Deinem" Gott vermag ich leider nichts Kluges oder Sinnvolles zu sagen, da ich an so einen Gott seit Kindestagen nicht mehr glaube, niemals glauben kann und niemals glauben werde.

Bernd ist in seiner Antwort aber tiefer eingestiegen, er weiß da mehr, hat mehr und tiefere Erfahrungen als ich.

Liebe Grüße

DW

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf BerndHeinrich vom 17.03.2022, 20:51:06

Ein sehr schöner Text, lieber @BerndHeinrich, danke dafür.

Guten Morgen

DW

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Der-Waldler vom 18.03.2022, 07:06:48
Liebe Simiya,

Du kommst von Deinem alten Gottesbild nicht los, dem Gottesbild der Kinder... Du verstehst Gott so, wie meine Oma mich das als sehr kleines Kind gelehrt hat. "Der da oben", "ich hier unten", "und wenn Du schön brav bist und immer fleißig betest, dann erfüllt er Dir jeden Wunsch, und Dir kann im Leben nichts Böses passieren".

Ich weiß nicht, wer/wie/was Gott ist, aber eines weiß ich: So ist "er" nicht.

[...]
Genau dieses Gottesbild war es, das mich abgeschreckt hat solange ich mich erinnern kann. Der Gott, der mir da im Konfirmationsunterricht nahegebracht werden sollte, der war eifer- und rachsüchtig, der quälte Menschen um "ihren Glauben zu prüfen". Wenn er Gutes bewirkte, dann sollten wir ihn lobpreisen, wenn jemanden etwas Übles traf, dann war es "Gottes unerfindlicher Ratschluss". Dieser Gott war so unglaublich menschlich.
Wenn es um die Verurteilung von vermeintlich Falschem ging, dann wurde auch das AT herangezogen, an anderer Stelle wieder hieß es, dass Vorstellungen aus dem AT durch das NT korrigiert würden. Immer gerade so, wie es in die jeweilige Argumentation passte.
Ich konnte das als Jugendlicher nicht so formulieren wie heute, aber ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl damit.

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Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.03.2022, 08:45:13

So ging es mir auch, @det, und ich zog mit ca. 20 Jahren die Konsequenz, trat aus der Kirche aus, distanzierte mich mehr und mehr vom Christentum. Aber heute weiß ich auch, dass es andere Sichten auf der Christentum gibt, "unser" @BerndHeinrich ist ein solcher Mensch, der anders schaut (siehe seinen schönen Beitrag oben). Aber ich kenne noch viele andere, darunter einen Priester, mit dem ich seit 25 Jahren befreundet bin. Ich bin dennoch kein Christ, aber ich sehe das Christentum heute milder (nicht so sehr "die Kirchen").

LG

DW

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Der-Waldler vom 18.03.2022, 08:53:36

Moin DW,

ich bin mit 16 aus der Kirche ausgetreten, sobald ich allein darüber entscheiden konnte. Heute habe ich ein ganz entspanntes Verhältnis zu Religion - unter der Bedingung, dass niemand mich missionieren will. Mit den  religiösen Institutionen habe ich so meine Probleme, ganz besonders nachdem ich die Leidensgeschichte eines Opfers eines kath. Internats in persönlichem Gespräch gehört habe. Eine Entschädigung hat er nie bekommen, nicht einmal eine Anerkennung seines Leides.
Trotz meiner Vorbehalte bin ich ehrenamtlich für einen Ableger der Diakonie tätig, denn ich versuche zwischen der Religion, den sozialen Aufgaben und den kriminellen Amtsträgern zu trennen. Leider überträgt unser Staat viele soziale Aufgaben an die Kirchen und hat so auch dem Missbrauch in verschiedener Form Vorschub geleistet. Doch so ist es nun mal und wer in seiner Freizeit sinnvoll tätig sein möchte, muss die Strukturen hinnehmen. Auf unserer untersten Ebene spielt Religion überhaupt keine Rolle, sondern es geht nur darum, die anstehenden Aufgaben zu erledigen. 
[Vorsicht Ironie]Vielleicht komme ich dafür ja später in den Himmel an den ich nicht glaube.[Ende der ironie]

BerndHeinrich
BerndHeinrich
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von BerndHeinrich
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.03.2022, 08:45:13
Genau dieses Gottesbild war es, das mich abgeschreckt hat solange ich mich erinnern kann. Der Gott, der mir da im Konfirmationsunterricht nahegebracht werden sollte, der war eifer- und rachsüchtig, der quälte Menschen um "ihren Glauben zu prüfen". Wenn er Gutes bewirkte, dann sollten wir ihn lobpreisen, wenn jemanden etwas Übles traf, dann war es "Gottes unerfindlicher Ratschluss".
geschrieben von det
Lieber @det,
dass kann ich so sehr nachvollziehen, weil es mir sehr, sehr ähnlich erging. Ich war ja, zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie Du (siehe unser Alter), auch im Katechumenen- und Konfirmandenunterricht! Damals war ich noch evengelisch (reformierte evangelische Kirche).
Mir ist heute noch die distanzierte und strafbereite Atmosphäre in der Erinnerung, die sich, m.M.n. "hinter einem (angeblich ständig) strafenden Gott, versteckte. Kleine (aber wichtige) Anekdote(?):
Ich war im Konfirmandenunterricht und zum ersten mal verliebt; in eine Katholikin. Die wollte ein Sportabzeichen, konnte aber den Weitsprung nicht. Ich war Leichtathlet mit dem Sprung zum Leistungssport und konnte Weitsprung ..... 😄 Damit bestand, bei der "Unterweeisung" zum Weitsprung, auch mal die Gelegenheit zu Berührungen ..... War mir wichtiger, als der Konfirmandenunterricht. Ich fehlte und wurde, beim nächsten Mal gefragt, wo ich denn wohl gewesen sei. Ich antwortete sehr ehrlich, dass ich "mit Monika weitspringen trainieren" war und wurde weiter gefragt, ob mir dies wichtiger gewesen sei. Das beantwortete ich mit "Ja" und bekam dafür die Bibel(!!??), auf den Kopf geschlagen; ebenso wie, wenn jemand Psalmen nicht fehlerfrei aufsagen konnte. Natürlich immer mit dem Hinweis, nicht er sei das, sondern er fülle nur das Wollen Gottes und Jesus aus! Der Pastor hat sicher nicht nur meinen (damaligen) Glauben, in den Grundfesten erschüttert!
Nach meiner Konfirmation, die lange "auf der Kippe stand", war ich Jahrzehnte lieber in leninistisch-marxistischen Schulungen, als in irgendeiner Kirche.

Aber: ein letzter feiner Faden blieb bestehen. In den Jugendclubs von Katholischen Gemeinden, in denen Verkündigung überhaupt keine Rolle spielte. Vergleiche ich das heute, dann waren die Katholischen Priester, die ich kennengelernt habe, aufgeschlossener, verständnisvoller und "fortschrittlicher, als alle evangelisch-reformierten, die ich, aus zwischenzeitlicher Sicht, ertragen musste, um eine Konfirmationsuhr (von Timex) zu bekommen ....

Herzliche Grüße!
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Mitglied_162e28b
Mitglied_162e28b
Mitglied

RE: Mach aus Sorgen ein Gebet
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.03.2022, 08:45:13

Genau dieses Gottesbild war es, das mich abgeschreckt hat solange ich mich erinnern kann. Der Gott, der mir da im Konfirmationsunterricht nahegebracht werden sollte, der war eifer- und rachsüchtig, der quälte Menschen um "ihren Glauben zu prüfen". Wenn er Gutes bewirkte, dann sollten wir ihn lobpreisen, wenn jemanden etwas Übles traf, dann war es "Gottes unerfindlicher Ratschluss".

Im katholischen Religionsunterricht war das für mein Dafürhalten noch schlimmer.
Wenn man diesem Gott gefallen wollte, war komplette Unterwerfung unvermeidlich.
Eigene Gedanken zu haben, Erfahrungen zu sammeln, die lt. katholischer Lehre "unkeusch" waren,
das führte nach den Bekundungen vieler meiner Lehrer auf direktem Weg in die Hölle.
Mit dieser mittelalterlich anmutenden Glaubensmoral gewinnt man keine Jugendlichen.
(Und offenbar auch keine aufrechten Geistlichen - aber das gehört in den speziellen Faden.)

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